EU-phorie dank deutscher Schulden?

Mit der Reform der Schuldenbremse und der Verankerung eines 500 Milliarden schweren Infrastruktur-Sondervermögens im Grundgesetz hat Deutschland eine fiskalpolitische Kehrtwende sondergleichen vollzogen. Die Börsen feiern diese Entwicklung bereits seit Wochen. Zu Recht?
Die fiskalpolitische Kehrtwende Deutschlands ist in ihren Auswirkungen kaum zu überschätzen. Allein das Signal, das an die deutsche Wirtschaft, die europäischen Nachbarn und die globalen Finanzmärkte ausgeht, dass sich Deutschland doch bewegen kann, sorgt für einen Stimmungsumschwung.
Die erhöhte Nachfrage nach Industriegütern trifft derzeit auf schwach ausgelastete Kapazitäten, so dass der anfängliche Stimulus aus den beiden Programmen durchaus konjunkturförderlich wirken dürfte. Mittelfristig wird jedoch das schwache Potenzialwachstum in Deutschland zum Problem. Denn nur, wenn es der künftigen Regierung gelingt, dieses zu heben, wird das Paket wachstumsfördernd statt inflationstreibend wirken. Die wichtigsten Maßnahmen hierfür sind die Erhöhung des Arbeitskräfteangebotes – höhere Anreize zur Arbeitsaufnahme und Erhöhung des (faktischen) Renteneintrittsalters – und die Deregulierung.
Wir haben unsere Wachstumsprognosen für dieses Jahr auf 0,4 Prozent erhöht und für 2026 auf 1,6 Prozent.
Die vielfach angeführten Sorgen vor einer unsoliden Haushaltspolitik halten wir für überzogen. Selbst wenn Bund und Länder die neuen Möglichkeiten jeweils voll ausschöpfen, stiege das Defizit auf rund vier Prozent und die Schuldenquote dürfte in zwölf Jahren bei rund 80 Prozent liegen – im internationalen Vergleich immer noch ein sehr niedriger Wert. Dies allerdings nur unter sehr pessimistischen Annahmen. Wir gehen davon aus, dass unter realistischen Annahmen die Staatsschuldenquote kaum 75 Prozent erreichen wird.
Was heißt das für die Märkte?
Ist das alles bereits eingepreist? Zum einen muss man sagen, dass sich die Märkte im Vorfeld bereits kräftig bewegt haben. Derzeit liegt die Outperformance des DAX gegenüber dem S&P500 bei über 20 Prozent (in Euro gerechnet). Zum anderen dürften am kommenden Mittwoch die Zollankündigungen der US-Regierung für ordentlich Wirbel an den Märkten sorgen. Ein Rücksetzer wäre daher alles andere als eine Überraschung. Allerdings dürften sich viele Anleger, die den bisherigen Boom der europäischen Aktien verpasst haben, fragen, ob das dann nicht ein guter Zeitpunkt wäre, um Versäumtes nachzuholen. Insofern ist eine Fortsetzung der Rallye durchaus denkbar.