EZB liefert trotz hoher Inflation – Kritik bleibt

Nun hat die EZB am vergangenen Donnerstag die Zinswende wie erwartet vollzogen und den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Ein mutiger Schritt, angesichts einer bei 2,4 Prozent verharrenden Inflationsrate in der Eurozone und in Deutschland (VPI), dem (noch) immer wichtigsten Kernland dieses Währungsraums. Der politische Druck, insbesondere aus Richtung der Südländer, wurde wohl doch ernst genommen. Vielleicht auch eine kleine Wahlkampfhilfe ‚just in time‘ zur Europawahl, nach dem Motto: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“. Genützt hat es allerdings nichts, im Heimatland von Frau Lagarde hat Präsident Macron nach einer fulminanten Bauchlandung gleich mal das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben.
Wie geht es nun weiter, nachdem die EZB der Fed zuvorgekommen ist? Letztere wird wohl zumindest kurzfristig der EZB nicht folgen – heute Abend weiß man mehr. Nicht wenige Experten sprechen von einer voreiligen Entscheidung der EZB und sehen die unmittelbaren Risiken, u. a. durch einen schwächeren Euro zum USD und der Gefahr von importierter Inflation, insbesondere bei Rohstoffen. Eine interessante Einschätzung der monetären Situation liefert Dr. Christoph Bruns von der Loys AG in seiner aktuellen Capital-Kolumne.
Die Aktienmärkte in Europa zeigten sich Anfang der Woche schwächer. Grund dafür war aber weniger der EZB-Zinsentscheid, als vielmehr das Ergebnis der Europawahl. Wie geht es nun aber insgesamt weiter? Sind Aktien immer noch günstig oder bereits zu teuer? Da die europäischen Märkte ohnehin im Schlepptau des US-Aktienmarktes liegen, macht ein Blick über den großen Teich mehr Sinn. Das bei Experten beliebte Shiller-KGV liegt demnach bei aktuell 26,5 und damit fast doppelt so hoch im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt von 13,5.
Allein diese Kennzahl riecht nach Korrekturbedarf, hinzu kommt die Unsicherheit aufgrund der internationalen Konflikte, Wachstumsschwächen, Handelsstreitigkeiten und zunehmender Protektionismus. Keine guten Voraussetzungen für einen sorglosen Börsensommer.

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Newsletter vom 12. Juni 2024

Martin Braun, Börse Hannover