Leitzinsen auf Sinkflug?

Dr. Martin Moryson

Die US-Fed hat die Zinsen stärker gesenkt als die meisten Beobachter angenommen hatten. Warum? Wie geht es weiter? Und was heißt das für die Märkte?

Für die meisten Beobachter etwas überraschend hat die amerikanische Zentralbank sich bei ihrem ersten Zinsschritt nach unten nicht auf 25 Basispunkte beschränkt, sondern hat gleich um 50 Basispunkte gesenkt. Auf der Pressekonferenz hat Fed-Chef Jerome Powell zugleich überdeutlich gemacht, dass er die US-Wirtschaft in sehr guter Verfassung sieht. Vermutlich wollte er damit verhindern, dass Marktbeobachter befürchteten, die Fed sänke die Zinsen deswegen so stark, weil sie etwas weiß, was andere nicht wissen. Das ist ihm offenbar gut gelungen, denn die Märkte haben fast euphorisch auf die Zinsentscheidung und die anschließende Pressekonferenz reagiert. Kann man jetzt erwarten, dass die Fed in dem Tempo weiter vorangeht? Vermutlich nicht, schließlich ist die Inflation noch nicht besiegt und die US-Wirtschaft ist ja tatsächlich noch in erstaunlich guter Verfassung. In Powells Worten ist die Fed geldpolitisch nicht im Rückstand und mit der beherzten Zinssenkung signalisiert sie, dass sie auch nicht in Rückstand geraten will. Zu tief sitzt noch die Erfahrung, zu spät mit den Zinserhöhungen angefangen zu haben.

Was heißt das für den Anleger? Die Senkung der Zinsen am kurzen Ende führt zu einer etwas steileren Zinsstrukturkurve. Für den Anleger ist das eine durchaus willkommene Entwicklung, da man durch das Halten langlaufender Rentenpapiere wieder stärker vom sogenannten Rolldown-Effekt profitieren kann. Der Rolldown-Effekt ergibt sich dadurch, dass eine Anleihe mit zehnjähriger Restlaufzeit nach einem Jahr nur noch eine Restlaufzeit von neun Jahren hat. Bei einer steilen Zinsstrukturkurve kann man sie dann mit einem kleinen Gewinn verkaufen.

Zum anderen ist das auch für Aktien eine positive Entwicklung. Schließlich refinanzieren sich viele Unternehmen eher kurzfristig. Mit der Zinssenkung verbessern sich also die Finanzierungskosten deutlich. Dies gilt insbesondere für Nebenwerte, die häufig einen höheren Anteil an kurzfristigen Verbindlichkeiten haben. Damit könnte die Performance der Aktienmärkte auf mehr Schultern aufgeteilt werden. In der jetzigen Marktphase eine ganz beruhigende Nachricht.

Newsletter vom 25. September 2024

Dr. Martin Moryson – Chefvolkswirt Europa
DWS

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