Ohne Schirm im KI-Gewitter
Der Megatrend „Künstliche Intelligenz“ ließ seit November 2022, als ChatGPT von OpenAI in Rekordzeit die ersten 1 Millionen Nutzer vermeldete, an den Börsen die Sonne scheinen: Fast konstant ein strahlend blauer Himmel, zwischendurch ein paar fantasievolle Wolkengebilde, mal ein laues Lüftchen – gefühlt aber ein ewiger Frühling. Profiteure waren die großen Hyperscaler wie Amazon, Microsoft, Alphabet, IBM oder Oracle und natürlich der Lieferant der Schlüssel-Hardware – die ebenso leistungsstarken wie hochpreisigen AI-Chips von Nvidia. Erste dunkle Wolken sah man Anfang Dezember an der Wiener Börse aufziehen, wo „KI-Blase“ zum Börsenunwort gekürt wurde. Aber spätestens mit der Ankündigung zum Projekt Stargate bei der Amtseinführung von Donald Trump war die Branche wieder euphorisiert von zu erwarteten 500 Milliarden US-Dollar Investitionsvolumen.
Doch am Montagmorgen zog statt eines friedlichen Sonnenaufgangs dann ein heftiges Unwetter aus dem fernen Osten über die Börsenlandschaft. Das chinesische Start-up DeepSeek AI überraschte mit seiner R1-Version die Fachwelt: Mit vergleichsweise geringen Investitionen, in relativ kurzer Zeit und wegen der Handelsbeschränkungen ohne die neueste AI-Chip-Generation wurde eine generative KI vorgestellt, die wohl fast auf Augenhöhe mit dem bekannten ChatGPT und den großen Lösungen von Meta oder Apple konkurrieren kann. Ein „Sputnik-Moment„?
Die Börsen in Europa eröffneten rot und die erfolgsverwöhnten Technologie-Aktien verzeichneten schon vor Start der US-Märkte massive Kursverluste. Allen voran Nvidia, deren Bewertung zum Handelsschluss am Montag um fast 600 Milliarden US-Dollar (-17%) gefallen war – der höchste je verzeichnete Tagesverlust einer Einzelaktie. Zur Einordnung: Das entspricht fast einem Drittel des gesamten DAX-40 und es gibt weltweit nur 15 Unternehmen über dieser Marktkapitalisierung. Ein plötzlicher Blitzschlag an der Börse mit Hagel und Starkregen, der so manche Stopp-Loss-Order ausgelöst hat. Jedoch kamen viele in Mitleidenschaft gezogene Kurse von ihren Tiefs schnell wieder zurück und so war am Dienstag die Börsenwelt wieder abgetrocknet. Heute markierte der DAX nach Eröffnung direkt ein neues Allzeithoch im Vorfeld zum Zinsentscheid der Fed heute Abend. Packen Sie den Schirm weg und holen Sie die Sonnencreme raus!
Zum Newsletter anmeldenNewsletter vom 29. Januar 2025
Thomas Strelow, Börse Düsseldorf